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Frauen im Sparkassenvorstand: 30% erst im nächsten Jahrhundert?

Niklas Christen/Dr. Wolfgang Schnorr

  • Führungspositionen-Gesetz zur Förderung von Frauen gilt nicht für Sparkassen
  • Insofern liegt die Frauenquote bei Sparkassenvorständen per Juni 2021 nur bei 5,82%
  • Im ersten Halbjahr 2021 ist die Quote auch nur um magere 0,13%p angestiegen, im 2. Quartal sogar zurückgegangen
  • Eine 30%-Quote wird so erst 2113, also erst in etwa 100 Jahren erreicht
  • Fiktive Anwendung des Führungspositionen-Gesetz II macht bis zu 323 zusätzliche weibliche Vorstände notwendig

Führungspositionen-Gesetz (FüPoG I) von 2015 wird zu Q3/Q4 2021 novelliert

Bereits vor etwas mehr als 6 Jahren trat das erste „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, kurz Führungspositionen-Gesetz oder FüPoG I, mit Wirkung zum 01. Mai 2015 in Kraft. FüPoG I sollte den geringen Frauenanteil in Führungspositionen großer Unternehmen der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst des Bundes erhöhen. Das konkrete Ziel war perspektivisch eine Geschlechterparität in diesen Positionen.

FüPoG I – Quotenreglung zeigt Wirksamkeit – lose Zielgröße zahnlos

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde für Aufsichtsräte unter zwei Bedingungen eine konkrete Geschlechterquote festgelegt. Unternehmen, die sowohl paritätisch mitbestimmt, als auch börsennotiert waren, mussten nun 30% dieses Gremiums mit Frauen besetzen. Zusätzlich wurden Unternehmen, die nur eine dieser Bedingungen erfüllten, dazu verpflichtet eine Zielgröße zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und oberster Management-Ebene anzugeben. Das FüPoG I novellierte außerdem das Bundesgremienbesetzungsgesetz und das Bundesgleichstellungsgesetz, um Änderungen im öffentlichen Dienst zu erreichen. Seit dem 01. Januar 2016 mussten deshalb 30% der Neubesetzungen in Aufsichtsgremien in denen der Bund mindestens drei Sitze stellt, ebenfalls die Geschlechterquote von 30% einhalten. Im Gesetz war zudem eine unabhängige Evaluierung vorgesehen, die nach 3 Jahren die Zielerreichung und somit den Effekt des Gesetzes beurteilen sollte. Das im Juli 2020 veröffentlichte Evaluationsgutachten kam zu folgenden Ergebnissen:

Die feste 30%-Quote für Aufsichtsräte zeigt Wirkung. So ist diese mit 35,4% Frauenanteil bereits im Jahr 2017 um ein gutes Stück übertroffen worden – ein Anstieg von 10,4% gegenüber 2015. Unternehmen, die damals nicht der gesetzlichen Quote unterlagen, haben hingegen lediglich einen Anstieg von 17,9% auf 19,9% zu verzeichnen. Ohne gesetzlichen Zwang scheinen diese Unternehmen also weitaus weniger effektiv auf Parität zuzuarbeiten, als ihre von der Quote betroffenen Mitbewerber.

Als quasi wirkungslos erwies sich die lose Zielsetzung des Frauenanteils für den Vorstandsbereich. Von 6,3% im Jahr 2015 stieg der Anteil auf nur 7,7% im Jahr 2017. Dies ist keine Überraschung, denn drei Viertel der betroffenen Unternehmen gaben für den Vorstand entweder keine oder „Null“ als Zielgröße an. Diejenigen Unternehmen, die eine Zielgröße über Null für den Vorstand und die darunterliegenden Managementebenen angegeben hatten, wählten diese außerdem mehrheitlich im Bereich von 11% bis 30%. Selbst wenn diese Unternehmen also ihrer eigenen unverbindlichen Zielgröße hätten folgen müssen, wäre die durch das FüPoG I angestrebte Parität nicht erreicht worden.

Im öffentlichen Dienst lässt sich in fast allen Behörden ein Trend zur Erhöhung des Frauenanteils betrachten. So machten 2015 Frauen lediglich 33,7% der höchsten Führungsebene in den obersten Bundesbehörden aus. Dieser Wert stieg bis 2017 immerhin auf 37,8%. Auch bei Abteilungsleitungen lässt sich ein Anstieg von 22,3% auf 29,3% verzeichnen. Weniger positiv sieht es beispielsweise in der obersten Führungsebene von nachgeordneten Bundesbehörden und Bundesgerichten aus, hier ist der Frauenanteil von 2015 bis 2017 nur von 32,7% auf 33,7% gestiegen. Auch wenn also die Entwicklung in Richtung Geschlechterparität in Führungspositionen im öffentlichen Dienst tendenziell positiv ist, so bilden Frauen bei Leitungsfunktionen dennoch immer noch eine klare Minderheit.

FüPoG II keine spürbare Verbesserung in Sachen Geschlechterparität

Die Evaluierung macht deutlich, dass das FüPoG I ein Schritt in die richtige Richtung gewesen ist. Sie zeigt aber auch, dass legislativer Nachholbedarf besteht, um das Ziel der Parität zu erreichen. Hierzu wurde jetzt das sogenannte „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, kurz „Zweites Führungspositionen-Gesetz“ oder „FüPoG II“, auf den Weg gebracht. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist bereits zu Q3/Q4 2021 zu erwarten.

Das FüPoG II macht in einem Aspekt genau das was es soll: Es baut auf FüPoG I auf und erweitert dieses. Die finale Zielsetzung war zu Beginn allerdings eine Geschlechterparität in Führungspositionen, sprich eine 50/50-Verteilung. Diese wird mit dem Gesetz faktisch weder garantiert, noch nennenswert begünstigt – vor allem in Vorständen. Immerhin führt das FüPoG II zwar verbindliche Vorgaben für Vorstände ein, statuiert aber kaum neue Quoten. In Unternehmen die paritätisch mitbestimmt bzw. börsennotiert sind, mehr als 2.000 Beschäftigte und mindestens vier Vorstandsmitglieder haben, muss künftig eines dieser Mitglieder eine Frau sein. Unter diese Bedingungen fallen aktuell 66 Unternehmen. Davon sind derzeitig 24 ohne Frau im Vorstand. In verschärfter Form gilt das Gesetz zusätzlich bei Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes. Hier muss bereits ab drei Vorstandsmitgliedern ein Vorstand weiblich sein.

Das FüPoG II weitet auch nunmehr immerhin die im FüPoG I statuierte feste 30%-Quote für Aufsichtsräte auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes aus. Außerdem müssen diese 94 Unternehmen zukünftig ab drei Vorstandsposten mindestens einen Posten mit einer Frau besetzen. Für Körperschaften des öffentlichen Rechts wird zudem eine Mindestbeteiligung von einer Frau ab zwei Vorstandsmitgliedern gelten. Betroffen sind hier unter anderem rund 155 Sozialversicherungsträger. Die 30%-Quote für Neubesetzungen in Gremien in denen der Bund Mitglieder stellt wird auch verschärft. Bereits ab zwei Mitgliedern des Bundes muss die Quote nun eingehalten werden.

Neu ist auch, dass Unternehmen eine Begründung für ihre selbst gesetzte Zielgröße angeben müssen. Wenn keine Zielgröße gemeldet oder die Zielgröße „Null“ nicht adäquat begründet wird, soll mit Geldbußen in Höhe von 2 – 10 Mio. Euro effektiver sanktioniert werden.

Um die Effektivität und Wirkweise von FüPoG II zu verstehen, ist es vor allem wichtig, zwischen festen Quoten und Mindestbeteiligungen zu unterscheiden. Ein zehnköpfiger Vorstand eines betroffenen Unternehmens müsste mit der Mindestbeteiligung im FüPoG II nach wie vor nur eine Frau enthalten. Anders sähe es natürlich aus, wenn man beispielsweise die 30%-Quote für Aufsichtsräte auch zwingend auf Vorstände anwenden würde. Mit Pflichtvorgaben zur Mindestbeteiligung von Frauen an Vorständen wird zwar schon mal eine Grundlage für Veränderungen geschaffen, aber eine tatsächliche Geschlechterparität wird nur dadurch nicht absehbar.

Sparkassen genießen auch weiterhin einen Sonderstatus

Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Kontext die Sparkassen. Interessanterweise fallen Sparkassen weder unter das FüPoG I, noch unter das FüPoG II. Dies hat folgende Bewandtnis: Auch wenn sie fast ausnahmslos öffentlich-rechtliche Anstalten sind, befinden sich jedoch im Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften. Sparkassen sind daher keine Bundesunternehmen, sondern bis auf einige Ausnahmen kommunale juristische Personen öffentlichen Rechts. Betrachtet man die Zahlen zum Frauenanteil in Sparkassenvorständen wird deutlich, dass auch hier eine gesetzliche Regelung angezeigt wäre. Diese sind ernüchternd:

Aktueller Trend: 30% Quote weiblicher Sparkassenvorstände erst 2113!

Ende Dezember 2020 waren von 897 Vorstandsmitgliedern 51 weiblich. Die Frauenquote lag damit bei 5,69%. Ende des ersten Quartals 2021 waren von nun 909 Vorständen, ganze 53 weiblich. Die Quote war damit leicht geklettert auf 5,83%. Nach nur weiteren drei Monaten stieg die Gesamtzahl der Vorstände weiter auf 911, allerdings blieb die Zahl weiblicher Vorstände stabil. Die Frauenquote ist damit per 31.06.2021 faktisch zurück auf 5,82% gefallen. Verlangte man bei den Sparkassen ernsthaft auch eine 30%-Geschlechterquote, so würde man diese nach einer Extrapolation des aktuellen Trends erst Ende des ersten Quartals des Jahres 2113 erreichen.

Fiktive Anwendung von FüPoG II: Bis zu 323 weitere weibliche Sparkassenvorstände notwendig 

Anders sähe es aus, wenn das FüPoG II bei der Regelung für Körperschaften des öffentlichen Rechts die Sparkassen ebenfalls miteinbeziehen würde. Aktuell haben 372 von 373 Sparkassen einen Vorstand mit mindestens zwei Mitgliedern. Damit würden alle Sparkassen bis auf eine unter das Gesetz fallen. Von diesen 372 Sparkassen haben 49 mindestens eine Frau im Vorstand, 323 jedoch nicht. Wenn nun in jeden dieser Vorstände eine Frau eintreten würde, stiege die Frauenquote im Sparkassenlager von 5,82% auf 41,27% an. Mit der Einbeziehung der Sparkassen in das neue Regelungswerk hätte man also nahezu Parität in den Vorstandsgremien geschaffen.

Wie wir oben dargelegt haben, greift das FüPoG II bei Sparkassen nicht. Allerdings verfügt die Politik hier über einen so großen Einfluss und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten wie in kaum einem anderen Wirtschaftssektor. Wie ernst es mit dem politischen Gestaltungswillen und der Förderung weiblicher Führungskräfte auch ohne Anwendung des FüPoG II tatsächlich gemeint ist, kann man ganz einfach mit dem neu entwickelten Barkow Consulting Sparkassen Governance-Tracker überprüfen. Dieser analysiert auf täglicher Basis den Anteil weiblicher Vorstände in deutschen Sparkassen.

Fazit: Quoten und Gesetze wirken, Aussparung von Sparkassen unverständlich

FüPoG I und Evaluation zeigen: Feste Quoten funktionieren, Unternehmen freie Zielsetzung der Postenbesetzung zu gestatten, hingegen nicht. Mindestens eine Frau in drei- bis vierköpfigen Vorständen der Privatwirtschaft zu verlangen, ist ein guter Anfang, um die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern. Mit Blick auf den bisherigen Verlauf ist jedoch abzusehen, dass Unternehmen aus sich heraus wohl kaum Bemühungen tätigen werden, die über die gesetzliche Mindestanforderung hinausgehen. Die erlaubte Zielgröße „Null“, auch mit forcierter Begründung durch das FüPoG II, dürfte weiterhin zu keiner Änderung führen. Vielmehr dient diese bewusste Lücke auch in der Zukunft vermutlich eher dafür, fehlende weibliche Präsenz in Vorständen zu rechtfertigen.

Im öffentlichen Dienst zeigt zwar der Trend einen Anstieg des Frauenanteils in Leitungsfunktionen, aber von der angestrebten Parität ist man auch hier noch weit entfernt. Auffällig ist auch, dass der Großteil dieser positiven Entwicklungen auf Abteilungsleitungen entfällt und weniger auf die oberste Führungsebene. Hier besteht also wahrscheinlich noch mehr interner Förderungsbedarf und konkretere Durchsetzung von Gleichstellungsplänen.

Darüber hinaus ist die fehlende Miteinbeziehung der Sparkassen im FüPoG II ein Versäumnis. Aufgrund der geringen durchschnittlichen Größe der Sparkassenvorstände, hätte ohne zusätzliche Regelungen nahezu die gewünschte Geschlechterparität mit 41,27% in bis zu 372 Vorständen erreicht werden können.

Abschließend lässt sich sagen: Das FüPoG II erweitert Aspekte des FüPoG I, welche sich bereits als wirksam bewiesen haben und versucht die weniger wirksamen Maßnahmen verpflichtender zu machen. Warum jedoch funktionierende Maßnahmen wie eine feste Geschlechterquote nicht auch auf Vorstände ausgeweitet werden, ist unklar. Durch die Mindestbeteiligung von einer Frau in betroffenen Vorständen lässt sich vielleicht aber immer noch auf eine positive Entwicklung in der Unternehmenskultur hoffen, die auch ohne gezwungene Quote eine Änderung in die gewünschte Richtung bewirkt. Die 30%-Quote für Aufsichtsräte zeigt jedoch bisher den signifikantesten Effekt. Auch hier muss allerdings beobachtet werden, ob Unternehmen darüber hinaus eine echte Parität anstreben, oder die Quote lediglich als zu erfüllende Hürde sehen.