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Was ist schon „normal“?

Dr. Wolfang Schnorr | For Free Updates Sign Up to Our Newsletters >> HERE

Die „Neue Normalität“ – Zauberwort oder Nebelkerze?

Geht es um die ungewissen wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Corona-Misere, verbreitet sich seit kurzem ein schillerndes Modewort mit rasanter Geschwindigkeit in unserer Gesellschaft: die „Neue Normalität“. Zwar weiß so gut wie niemand, was sich gesamthaft dahinter verbirgt, aber die bedeutungsschwere Begrifflichkeit mit universeller Eignung verbreitet in jedem Fall einen angenehm tiefgründigen Glanz. Angesichts von krisenbedingt zunehmenden Allmachtsgefühlen haben insbesondere Politiker jeglicher Couleur diesen in der angelsächsischen Welt bereits länger gebräuchlichen Terminus begierig übernommen.      

Nun ist das per se nichts Ungewöhnliches und erst recht nichts Schlimmes. Aber man kann natürlich schon fragen, ob die ausgeprägte Vorliebe für diese jüngste Wortschöpfung vielleicht doch auf mehr als nur die Bereicherung der deutschen Sprache abzielt. Kritik lässt sich in der Tat vor allem an zwei Punkten festmachen.

Verniedlicht wirtschaftliche Perspektiven

Erstens ist der Begriff beschönigend und verharmlosend. Denn Normalität ist ja etwas, was üblich ist, so steht es auch im Duden und so wird es auch verstanden. Es handelt sich somit um einen Zustand, den man kennt, in dem man sich wohlfühlt und vor dem man schon gar keine Angst haben muss. Tatsächlich ist jedoch eher das Gegenteil richtig. Wir befinden uns in der globalen Ausnahmesituation einer beispielslos einbrechenden Wirtschaft und müssen damit rechnen, dass unsere Welt mit bzw. nach Corona eine wesentlich andere als zuvor sein wird. Eine rasche Rückkehr zu „normal wie vorher“ ist eben gerade nicht absehbar. Wie die konkreten Folgen der Corona-Krise aussehen werden, lässt sich aktuell allenfalls erahnen. Zu groß und vielfältig sind die Unsicherheiten über die weltweiten Auswirkungen, die der durch das Covid-19-Virus ausgelöste externe Schock nach sich zieht. Die Wucht und die rasend schnelle Verbreitung der aktuellen Corona-Pandemie sind einzigartig. Dafür gibt es-leider- weder einen Präzedenzfall noch eine Blaupause. Und schon gar nicht hat das absehbar irgendetwas mit Normalität zu tun.

Unterschlägt den Zeitfaktor

Zweitens vernachlässigt die „Neue Normalität“ den kritischen Zeitfaktor. Es wird suggeriert, dass die Übergangsphase irrelevant ist. Der Begriff beschreibt einen in der Zukunft liegenden Endzustand, ohne darauf einzugehen, wie lange es dauern kann, bis das neue Gleichgewicht tatsächlich erreicht ist. Die komparativ-statische Betrachtungsweise geht aber an der wirtschaftlichen Realität vorbei, denn in der Regel sind es gerade die dynamischen Anpassungsprozesse, auf die es ankommt. Denn sie können ebenso langwierig wie schwierig ausfallen und schlimmstenfalls gar kein Ende finden. Und für eine eher länger als kürzer dauernde Zwischenphase spricht derzeit vieles. Zum einen wird  die private Nachfrage mittelfristig infolge der Einkommenseinbußen und tiefen Verunsicherung gebremst. Das schwierige Umfeld und verhaltene Absatzerwartungen dämpfen zugleich die Investitionsneigung der Unternehmen. Zum anderen steht die Angebotsseite ebenfalls unter Druck. Teilweise sind Kapazitäten bei der Erstellung von Gütern und Diensten schlichtweg durch Insolvenz etc. verschwunden. Zudem sieht sich die Produktion bei wieder-hoffentlich-wachsender Auslastung einem mehr oder weniger starken Kostendruck wegen Corona ausgesetzt. Insgesamt also eine äußerst ungute Konstellation von Angebots- und Nachfragefaktoren. Und fatalerweise für die exportorientierte deutsche Wirtschaft trifft das sowohl für Inland wie Ausland gleichermaßen zu. Diese vielfältigen Defizite kann natürlich auf Dauer auch die öffentliche Hand nicht ausgleichen, die krisenbedingt derzeit, aber eben nur vorübergehend, eine extrem spendable Rolle als omnipräsenter Lückenbüßer und großzügiger Wohltäter spielt.

Last but not least ist für den zeitlichen Anpassungsbedarf ganz wichtig, ob überhaupt und wann ein wirksamer Impfstoff sowie geeignete Medikamente entwickelt werden können. Von der Befürchtung eines wie auch immer gearteten Nachfolge-Virus einmal ganz abgesehen.

Gegensteuern nur durch Versuch und Irrtum

Vor diesem Hintergrund sollte insbesondere die Politik ehrlicherweise der Versuchung widerstehen, mit der wohlfeilen Worthülse von der „Neuen Normalität“ die Probleme zu bagatellisieren und zu vernebeln. Was ist denn so schlimm an dem Eingeständnis, dass unter dem Zwang entscheiden zu müssen, häufig mit der Stange im Nebel herumgestochert wird? Damit sind dann natürlich mangels besseren Wissens zwangsläufig auch Fehler eingeschlossen. Eine Binsenweisheit besagt: Politik lebt ganz wesentlich vom Vertrauen der Menschen. Das kann aber nur entstehen und wachsen, wenn man mit offenen Karten spielt, anstatt mit vagen Versprechungen Enttäuschungen zu produzieren. Es ist längst ein offenes Geheimnis: Wir befinden uns aktuell in der schwersten globalen Wirtschaftskrise seit langem, bei der wir allein durch Versuch und Irrtum (Trial and Error), manche nennen das auch „Durchwursteln“, gegensteuern können – einfach deshalb, weil niemand ein Patentrezept hat! Und zur bitteren Wahrheit gehört auch, dass die Perspektiven für eine Erholung auf mittlere Sicht nicht besonders rosig und zumindest äußerst unsicher sind. 

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