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Corona treibt Sondererträge des Bundes auf Rekordniveau

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Dr. Wolfgang Schnorr/Peter Barkow/Till Krueger/Turgut Kaymal | 12.7.2020

– Corona verursacht zwar zweifellos viele Belastungen
– Sorgt aber auch für Rekorderträge beim Bund

Bund profitiert vom Negativzins gleich mehrfach

Die Zinsausgaben des Bundes sind sehr zum Wohlgefallen des Finanzministers seit Jahren stark rückläufig. Das hat vor allem zwei Gründe: Eine ungewohnt drastische und langanhaltende Niedrigzinsphase und die Ablösung der Nettokreditaufnahme durch die schwarze Null, zumindest bis zum Jahr 2019. Mehr als ein angenehmer Nebeneffekt ist zudem, dass bei der Emission von Bundesschuldpapieren durch die Aufstockung von bereits begebenen (älteren und höherverzinslichen) Anleihen ein ungewöhnlich stattliches Agio kassenwirksam sofort vereinnahmt werden kann. (Für Details siehe Dem Nullzins Seine Dunkle Seite oder Wie der Bund >€500Mio. mit einer Anleihe verdient hat)

Aktuell fast alle Bundesanleihen mit negativen Renditen

Bereits seit einiger Zeit sind die Renditen fast aller Bundesanleihen negativ. Lediglich die Anleihe mit der längsten Laufzeit von 30 Jahren hat aktuell einen hauchdünnen positiven Kupon von 0,01%. Faktisch können damit auch fast alle „neuen“ Anleihen trotz eines Kupons von Nullprozent mit einem Aufgeld (Agio) emittiert werden.

2019 mit sehr hohen Einnahmen durch Kursaufschläge bei Anleihen

Bereits im vergangenen Jahr hat das niedrige Zinsniveau dazu geführt, dass widerum sehr hohe Agio-Erlöse von €5,7Mrd. erzielt wurde, wie das Bundesfinanzministerium gerade mitgeteilt hat. Geplant waren lediglich €0,4Mrd. Der endgültige Erlös 2019 liegt damit nur unwesentlich unter dem bisherigen Rekord 2016 mit €6,0Mrd.

Corona wird Agio-Erträge 2020 noch mal verdoppeln

Die Agio-Erlöse des Jahres 2020 hingegen stehen gleich mehrfach im Zeichen von Corona. So erhöhen diverse Sonderhaushalte den Finanzierungsbedarf deutlich mit dem Ergebnis, dass auch mehr Bundesanleihen emittiert werden müssen.

Zweitens sind sowohl der weitere Verlauf der Corona-Pandemie als auch seine wirtschaftlichen Auswirkungen in höchstem Maße unsicher. Entsprechendes gilt auch für den Finanzierungsbedarf im Rahmen des Bundeshaushaltes, der deutlich schwierigerer zu prognostizieren ist als in „normalen“ Jahren. Also im Zweifel eher vorhalten!

Um der erhöhten Unsicherheit Rechnung zu tragen, hat die Finanzagentur im April 2020 zwei Sondertransaktionen im Gesamtvolumen von €142Mrd. (Nominalwert) durchgeführt. Im Rahmen dieser Transaktionen wurden insgesamt 61 bereits früher begebene Anleihen um jeweils €2Mrd. bzw. €2,5Mrd. aufgestockt und zunächst in den Eigenbestand des Bundes übertragen. Dieser erhöhte Sonder-Eigenbestand vergrößert die Flexibilität der Finanzagentur in zweifacher Hinsicht:

  1. Wir schätzen, dass etwa ein Viertel (oder ca. €35Mrd.) des in Rede stehenden Volumens als Sicherheit für kurzfristige Repogeschäfte dient.
  2. Das verbleibende Volumen dient als weiterer Sicherheitspuffer und kann jederzeit bei Bedarf im Markt platziert bzw. verkauft werden. Oder alternativ sogar einfach wieder ausgebucht werden, sollte er nicht benötigt werden.

Es ist aktuell nicht klar, ob die Finanzagentur Platzierungen im Sinne von Option 2 bereits Gebrauch gemacht hat. Im aktuellen Monatsbericht des Bundesministeriums für Finanzen wird jedoch ein starker Rückgang des Eigenbestandes um €5Mrd. für Mai 2020 ausgewiesen. Im gleichen Monat kam es auch zu sehr hohen Nettozinserträgen von €1,6Mrd., worunter besagte Agio-Erlöse regelmäßig ausgewiesen werden. Beide Werte lassen vermuten, dass es im Mai zu überdurchschnittlich hohen und ertragreichen Veräußerungen gekommen sein könnte, die sich aus den regulären Emissionen der Finanzagentur so nicht nachvollziehen lassen.

Weiterhin ist unklar, wie sich die Veräußerungen aus dem Eigenbestand im Laufe des Jahres entwickeln werden. Unterstellt, es sei das primäre Ziel der Finanzagentur, den Finanzierungsbedarf des Bundes über Standardemissionen zu sichern, dann würde vermutlich nur in Ausnahmefällen und auch nur ein vergleichsweise geringer Anteil des zusätzlich geschaffenen Sonder-Eigenbestandes im Markt platziert werden und dadurch zusätzliche Agio-Erträge generieren.

Eine weitere Unsicherheit besteht in der Heterogenität der 61 aufgestockten Anleihen. Die Kurswerte der einzelnen Anleihen rangieren aktuell in einer Bandbreite von leicht über 100% bis knapp 200%, mit entsprechend massiven Auswirkungen auf Veräußerungserlös und Einmalertrag.

Unser Basisszenario zur Quantifizierung von Agio-Erträgen 2020 aus dem Sonder-Eigenbestand geht daher von folgenden Annahmen aus:

  • 10% oder etwa €11Mrd. des Sonder-Eigenbeständen, der nicht für Repo-Zwecke benötigt wird, wird im Laufe des Jahres 2020 veräußert.
  • Die Anleihen werden zum aktuellen gewichteten Durchschnittskurswert aller aufgestockten Anleihen vom 8. Juli 2020 veräußert.

Daraus ergibt sich ein Agio-Ertrag von insgesamt €2,7Mrd. aus dem Sonder-Eigenbestand. Dazu kommen noch 2020 bereits realisierte Agio-Erträge von €4,7Mrd. sowie noch zu erwartenden Erträge von €4,2Mrd. aus der Regelemissionstätigkeit 2020.

Insgesamt schätzen wir damit die Einmalerlöse aus Agien auf €11,6Mrd., was 2020 wiederum mit großem Vorsprung zu einem Rekordjahr machen würde. Zudem sei noch erwähnt, dass der im Bundeshaushalt eingeplante Ertrag zwar jüngst von €3Mrd. auf €6Mrd. erhöht wurde. Corona kann insoweit kann hier aber eben auch mal positiv überraschen.

Sollte im schlimmsten Fall aufgrund einer deutlichen Verschlechterung des Finanzierungsumfeldes eine komplette Veräußerung des Sonder-Eigenbestandes (ex Repo-Komponente) notwendig werden, stiegen die entsprechenden Agio-Erlöse auf €27Mrd. an. Inklusive der Erlöse aus der Regelemissionstätigkeit ergäbe sich damit ein hypothetischer Gesamterlös von €36Mrd.

Die Agio-bedingten Einmalerlöse seit 2012 werden im laufenden Jahr auf insgesamt €37,8Mrd. ansteigen. Geplant waren lediglich €4,8Mrd., so dass sich der ungeplante Mehrertrag auf €33,0Mrd. summiert.

Der guten Ordnung halber sei nochmals darauf hingewiesen, dass unsere Schätzung für 2020 auf dem aktuellen Zinsumfeld beruht und jedwege Änderung sich natürlich auf das Ergebnis auswirkt.

Fiskalpolitischer Boomerang deutet sich bereits an

Über die Problematik hoher Agio-Erlöse haben wir bereits mehrfach geschrieben. Letztlich sind die Sondergewinne ja nichts weiter als vorweggenommene zukünftige Zinsersparnisse. Und auch die Agio-Erträge können leicht ins Negative umschlagen, wenn langlaufende Anleihen mit niedrigem Kupon bei höheren Zinsen begeben bzw. aufgestockt werden. Dass dies nicht nur graue Theorie ist, konnte man bereits im ersten Halbjahr 2020 beobachten. Bei der Emission von nominal €6 Mrd. einer 30-jährigen Anleihe vom 10. Juni mit einem Nominalzins von 0,0% machte der Bund durch das Disagio von 5,5% einen Verlust von €330Mio. Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch, dass die Anleihe über ein Syndikat platziert wurde, was typischerweise mit geringeren Emissionspreisen einhergeht.